Fehlmengenkosten

Was Sie gegen diese "Gewinnkiller" tun können

Immer wenn Sie „Feuerwehr“ spielen müssen, um etwas zu „retten“, entstehen Fehlmengenkosten. Immer dann, wenn Sie improvisieren müssen, kostet dies Ihrer Firma Geld. Die Höhe der im Einzelfall oder jährlich anfallenden Fehlmengenkosten ist den meisten Einkäufern, Controllern und Geschäftsführern nicht bekannt. Es gibt 2 verschiedene Hauptgruppen von Fehlmengenkosten.

 

Die Einkaufs-Fehlmengenkosten

 

Sie entstehen immer dann, wenn benötige Produkte oder Dienstleistungen nicht rechtzeitig bestellt oder rechtzeitig geliefert werden. Auch durch die Lieferung von falschen oder mangelhaften Produkten entstehen Fehlmengenkosten.

 

Die Verkaufs-Fehlmengekosten

 

Hierzu zählen alle innerbetrieblichen Ereignisse, die dazu führen, dass der eigene Kunde nicht oder nur verspätet beliefert werden kann. Auch sämtliche Aufwendungen, die nötig sind, um Kundentermine zu retten, gehören dazu. Es wird deutlich, dass Einkaufs-Fehlmengenkosten letztlich zu Verkaufs-Fehlmengenkosten werden können. Die Verkaufs-Fehlmengenkosten können jedoch auch vollkommen unabhängig vom Einkauf entstehen. Beispiele: Fehlmengen im Lagerbestand, die nicht auf Lieferpannen zurückzuführen sind oder Stillstand der Produktion durch einkaufsunabhängige Ereignisse, um nur 2 zu nennen.

 

Eine genauere Einteilung der Fehlmengenkosten-Arten ist möglich, jedoch wenig praktikabel.

 

Katalog der Fehlmengenkosten

 

Durch die folgenden 14 Ereignisse verlieren Firmen Geld:

 

1.      Mehr Ausgaben durch Notkäufe (anderer Lieferant oder anderes Material)
2.      Höhere Einkaufsabwicklungskosten durch zusätzliche Lieferantensuche und Bestellabwicklung
3.      Ausgaben für Express- und Kurierdienste
4.      Nacharbeit von fehlerhaften Teilen
5.      Das Aussortieren von Fehlteilen
6.      Interne Abwicklungskosten für Rücksendungen fehlerhafter Ware an den Lieferanten
7.      Umstellung der Produktion auf andere Produkte
8.      Stillstand der Produktion
9.      Sonderschichten, Wartezeiten und Überstunden in der Fertigung
10.  Vertragsstrafenzahlungen an Kunden
11.  Schadensersatzforderungen von Kunden
12.  Verlust von Umsatz, Deckungsbeitrag und Gewinn
13.  Kunden wandern zur Konkurrenz ab
14.  Good-will-Verluste (Image, Prestige, Ruf)

 

Wichtig:Alle Ereignisse in einer Firma, die dazu führen, dass der geplante Ablauf verändert werden muss, verursachen letztlich Kosten.

 

Fehlmengenkosten: Das müssen Sie tun

 

Eine Hauptaufgabe Ihres Einkaufs ist es, den Schaden, der durch Lieferpannen droht, so gering wie möglich zu halten. Wenn Sie „Feuerwehr“ spielen müssen, dann brauchen Sie Improvisationstalent und Kreativität. Auch das Tempo ist wichtig – Sie müssen unverzüglich handeln. Jede Rettungsaktion kostet bereits Geld. Es geht dabei nur noch darum, Schlimmeres und größeren Schaden zu verhindern.

 

Tipp: Entschärfen Sie immer zuerst die akute Notsituation. Später klären Sie dann, wer was zu verantworten und zu bezahlen hat.

 

Fehlmengenkosten-Prophylaxe

 

Vorbeugen ist besser als reparieren. Das Vermeiden von Fehlmengenkosten hat sehr viel mit der richtigen Wahl der Lieferanten und reibungslosen firmeninternen organisatorischen Abläufe zu tun.

 

Wichtig: Viele Pannen entstehen durch die schlechte Kommunikation zwischen den verschiedenen Abteilungen (Einkauf, Verkauf, Technik, Disposition, Produktion, ...).

 

Durch das Dokumentieren aufgetretener Lieferantenpannen, zum Beispiel durch die regelmäßige Lieferantenbewertung, finden Sie heraus, ob und welche Lieferanten hier als „Störsender“ in Frage kommen. Mit Lieferanten, die selten bis nie Fehlmengenkosten verursachen, können Sie etwas großzügiger sein, insbesondere, wenn es sich um kleinere Pannen handelt. Anders sieht dies bei den Kandidaten aus, die ständig auf Ihrer Fehlmengen-Liste erscheinen. Mit diesen müssen Sie darüber sprechen und Maßnahmen vereinbaren, die dem Wiederholen vorbeugen. Vorbeugende Maßnahmen sind:

  1. Bevorzugte Zusammenarbeit mit nachweislich zuverlässigen Lieferanten.
  2. Austausch von leistungsschwachen Zulieferern.
  3. Unmissverständliche Vorgaben für die Lieferanten.
  4. Klare vertragliche (unbedingt schriftlich) Vereinbarungen für den Fall das Lieferpannen auftreten, zum Beispiel eine Vertragsstrafe von 0,5 % des Bestellwertes für jeden Verzugstag bis maximal 5 % des gesamten Auftragswerts.
  5. Klares und konsequentes Verhalten gegenüber Verkäufern, im Reklamationsfall (gilt besonders bei geplatzten Terminen).

 

Denken Sie dabei immer an den eigenen Kunden. Wäre dieser, Ihrer Firma gegenüber, im Falle einer Lieferpanne großzügig?

Wichtig: Lieferanten müssen lernen, dass Ihre Toleranzschwelle zukünftig niedriger liegt.

 

Viele Einkäufer scheuen diese Arbeit, dabei ist sie ein wesentlicher Bestandteil der einkäuferischen Aufgaben. Ihre Lieferanten müssen förmlich einen Erziehungsprozess durchlaufen. Das gilt insbesondere für die langjährigen Lieferanten, die vielleicht schon länger in der Firma sind, als Sie selbst. Diese Lieferanten wurden von anderen Einkäufern geprägt und müssen nun ihr gewohntes Verhalten aufgeben. Es ist bekannt, dass das Durchbrechen von Gewohnheiten und Routinen schwerfällt und eine Menge Energie erfordert. Sollte sich ein Lieferant über Ihr neues Verhalten wundern, dann argumentieren Sie damit, dass Ihre Kunden verlangen, dass Sie mit leistungsstarken und absolut zuverlässigen Lieferanten zusammenarbeiten. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Lieferant genau weiß, was Sie von ihm (zukünftig) erwarten. Viele Schwierigkeiten im Einkauf entstehen durch diese fehlende Kommunikation.

 

Wichtig: Manchmal passen Lieferant und Einkauf einfach nicht zusammen. Geben Sie daher Ihren Lieferanten einen kurzen, schriftlichen Leitfaden, wo aufgeführt ist, was Sie von ihm erwarten und wie Sie sich die Zusammenarbeit vorstellen. Nur so kann der Lieferant entscheiden, ob er auf dieser Basis mit Ihnen zusammenarbeiten möchte.

 

Fehlmengenkosten: Die Schadenssumme ermitteln

 

Entstehen Fehlmengenkosten, so kann ein Teil genau berechnet und ein anderer zumindest geschätzt werden. Schwierig wird es, die Good-will-Verluste zu beziffern. Auch wenn es hierfür noch keine genaue Ermittlungsmethode gibt, schließt das nicht aus, dass mit den anderen Kostenkomponenten gearbeitet wird.

 

Wichtig: Ein Lieferant hat für die Kosten gerade zu stehen, die er schuldhaft verursacht hat.

 

Natürlich kann man als Einkäufer Verständnis für bestimmte Ereignisse auf der Lieferantenseite entwickeln, was aber nicht gleichbedeutend ist mit dem Verzicht auf Ausgleich des entstandenen Schadens. Ein Junge, der mit einem Ball eine Scheibe zerbricht, kann sich auch nicht aus der Verantwortung stehlen, indem er sagt: „Das war keine Absicht und es kommt nicht wieder vor.“ Exakt ermitteln können Sie beispielsweise die Mehrausgaben für Deckungskäufe oder die Strafzahlungen an Ihre Kunden. Relativ genau lassen sich auch die Kosten für Nacharbeiten oder das Aussortieren von Fehlteilen ermitteln. Wie viele Mitarbeiter waren wie lange damit beschäftigt? Diese Stundenzahl malgenommen mit dem Personalkostenverrechnungssatz ergibt dann die Zahlsumme für den Lieferanten. Ebenfalls ermitteln können Sie die Kosten des Einkaufs für eine Rettungsaktion. Wenn Sie einen Vormittag damit zugebracht haben, können Sie auch hier mit Hilfe des Stundenverrechnungssatzes die Fehlmengenkostenhöhe errechnen. Unsere Arbeitshilfe erleichtert Ihnen das Feststellen der Fehlmengenkostenhöhe.

 

Tipp: Informieren Sie mit diesem Formular bei größeren Pannen die Geschäftsleitung über die entstandenen Fehlmengenkosten. So erreichen Sie dort schrittweise eine fortschreitende Sensibilisierung für diese Thematik. Und mit Hilfe einer Kostenbelastung berechnen Sie die entstandenen Fehlmengenkosten Ihren Lieferanten. Jeder Einkauf muss sich fragen, ob er Fehlmengenkosten in 5- oder sogar 6-stelliger Höhe jährlich verschenken will und kann.  

 

Autor: Jens Holtmann